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Wegzugsbesteuerung – Verschärfung ab 2022 beschlossen!
Bundestag und Bundesrat haben dem sog. „ATAD-Umsetzungsgesetz“ zugestimmt. Die Wegzugsbesteuerung wird dadurch umfassend reformiert und in den EU-/EWR-Fällen enorm verschärft. Die Änderungen greifen ab dem Veranlagungszeitraum 2022.
Was ist die Wegzugsbesteuerung?
Für Anteilseigner von Kapitalgesellschaften (mind. 1%) im Privatvermögen kann eine unbedachte Wohnsitzverlagerung ins Ausland erhebliche Steuerbelastungen nach sich ziehen. Hintergrund ist die sog. „Wegzugsbesteuerung“. Sie fingiert im Zeitpunkt des Wegzugs eine Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile und führt daher zur Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven in den Anteilen.
Hinweis:
Neben dem Wegzug existieren noch einige weitere Ersatztatbestände, die ebenfalls die Besteuerung der stillen Reserven auslösen können. Beispielweise ist auch die unentgeltliche bzw. teilentgeltliche Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen auf im Ausland lebende Kinder in diesem Zusammenhang problematisch.
Regelung Wegzug in einen EU/EWR-Staat noch bis Ende 2021
Ist der Wegzügler Staatsangehöriger eines EU-/EWR-Staats und zieht er in (irgend-)einen EU-/EWR-Staat, so setzt das Finanzamt aktuell die durch den Wegzug ausgelöste Einkommensteuer zwar fest. Die Steuer wird aber von Amts wegen unbefristet, zinslos und ohne Sicherheitsleistung gestundet. Die tatsächliche Steuerbelastung entsteht dann oft erst Jahre später, wenn die Stundung aufgrund eines bestimmten Widerrufstatbestands (z.B. tatsächliche Anteilsveräußerung) widerrufen wird. Faktisch wird dadurch der EU-/EWR-Umzug nahezu gleichbehandelt mit dem Umzug innerhalb Deutschlands. Beide Umzüge führen zu keiner sofortigen Steuerbelastung.
Regelung ab dem Veranlagungszeitraum 2022
Die großzügige spezielle Stundungsregel für EU-/EWR-Fälle wurde durch das nun beschlossene ATAD-Umsetzungsgesetz mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2022 gestrichen. Zukünftig wird für alle Wegzüge (auch in Drittstaaten-Fällen) die Stundung nur noch verteilt auf sieben Jahresraten gewährt. Auch eine Sicherheitsleistung soll i.d.R. verlangt werden. Eine Verzinsung ist aber nicht vorgesehen.
Die Gesetzesänderung bedeutet für EU-/EWR-Fälle also eine massive Verschlechterung. Anders als bisher kommt es künftig zu einer sofortigen Steuerbelastung. Die Stundung auf sieben Jahresraten kann dabei nicht darüber hinwegtäuschen, dass die faktische Gleichbehandlung mit Umzügen innerhalb Deutschlands nicht mehr gegeben ist. Die Neuregelung ist daher insbesondere vor dem Hintergrund des unionsbürgerlichen Freizügigkeitsrechts kritisch zu hinterfragen. Die Norm dürfte alsbald die Finanzgerichtsbarkeit beschäftigen.
Hinweis:
Für bereits laufende Stundungen (z.B. weil der Wegzug in 2020 noch nach alter Rechtslage erfolgt ist) greift die neue Gesetzesfassung nicht. Hier sind weiterhin die Regelungen für die bisherige (großzügige) Stundung anzuwenden.
Fazit
Da die Neuregelung erst ab dem Veranlagungszeitraum 2022 greift, bestehen aktuell noch Gestaltungsmöglichkeiten. Wer derzeit beispielsweise ohnehin einen Umzug in einen EU-/EWR-Staat erwägt, sollte – aus steuerlicher Sicht – prüfen, ob dieser noch in 2021 realisiert werden kann. Gleiches gilt z.B. für geplante unentgeltliche Anteilsübertragungen an im Ausland lebende Kinder.